Meinung Deshalb kann der Megxit eine Chance für die britische Krone sein
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08. Januar 2025, 19:23 Uhr
8. Januar 2020 - der Big Bang.
Ausnahmezustand im britischen Königreich. Prinz Harry und Herzogin Meghan verkündeten via Instagram ihren Rücktritt von allen royalen Pflichten und Aufgaben.
Nach vielen Monaten des Nachdenkens und der Diskussionen haben wir uns entschieden, in dieser Institution eine neue fortschrittliche Rolle für uns zu finden.
Am 31. März fiel dann endgültig der Vorhang. Der Herzog und die Herzogin von Sussex absolvierten ihren letzten Termin und verließen trotzig, aber mit hoch erhobenem Haupt das Windsor-Schiff. Der letzte Akt eines königlichen Dramas.
Was zunächst wie das schlimmste vorstellbare Szenario aussah, entpuppte sich als Chance für einen Neuanfang. Die britische Monarchie schnitt alte Zöpfe ab und erfand sich neu.
Ende gut, alles gut oder Fortsetzung folgt?
Die zwei Seiten der Megxit-Medaille
Harry und Meghan auf der Flucht. Und das, obwohl sie als Sympathieträger der jungen Generation galten und als solche von der Royal Family eingesetzt werden sollten.
Erst fliehen sie nach Kanada, dann ins US-amerikanische Montecito, aber vor allem in die lang ersehnte Unabhängigkeit. Der Preis dafür? Hoch. Afghanistan-Veteran Harry muss seine militärischen Ehrentitel abgeben. Hinzu kommt der Bruch mit der eigenen Familie - allen voran Vater Charles und Bruder William. Der Traum der "Fab Four" aus Kate, William, Harry und Meghan? Geplatzt.
Angeblich soll der Megxit auch die mittlerweile gestorbene Queen schwer getroffen haben. Lieblingsenkel Harry auf Abwegen. Welche Großmutter würde das nicht mitnehmen?
Verhärtete Fronten auf beiden Seiten. Lange Zeit sah es so aus, als gäbe es nur Verlierer in dieser nationalen wie privaten Tragödie.
Wenn du nichts Gutes zu sagen hast, dann sag nichts
Ein Interview mit Oprah Winfrey hier, eine schlagzeilenträchtige Autobiografie dort. Kaum haben sie die hocharistokratischen Kreise hinter sich gelassen, beginnen Harry und Meghan zu schwatzen. Never complain, never explain - das Motto der Windsors seit jeher - scheint für sie nicht mehr zu gelten.
Und die Royal Family? Die blieb zunächst still. Der Kopf muss eben auf den Schultern bleiben - sonst fällt ja auch das Krönchen runter.
Dem einen oder anderen Familienmitglied fällt es sicher nicht leicht, die Füße still zu halten. Immerhin wurde das Königshaus mit heftigen Vorwürfen überhäuft. Auf der langen Liste der angeblichen Vergehen: Rassismus und Handgreiflichkeiten.
Vorwürfe, die Kratzer am sonst so polierten Image hinterlassen haben. Und doch: Das Schweigen der Royals gilt vielen als Zeichen guten Stils. Aktuellen Umfragen zufolge begegnet die Bevölkerung Charles und Co. wieder mit mehr Respekt, während die Yellow Press nicht müde wird, gegen die Sussexes zu schießen.
Die Wunden eines nationalen Dramas
Wer die königliche Familie in Großbritannien im Stich lässt, ist untendurch. Bei den Royals und beim Volk.
Das zeigt ein Blick in die Vergangenheit: König Eduards Abdankung 1936 hinterließ einen Riss im Herzen Tausender Briten und prägte sich ins nationale Gedächtnis ein. Pflaster und Nachbehandlung? Wirkungslos. Die Briten sind nachtragend. Alle Versuche, seinen Ruf und den seiner Frau Wallis zu retten, scheiterten. Das Paar fristete bis zu seinem Lebensende einem mehr oder weniger unroyalen Leben - obwohl Eduard stets sehnsüchtig nach Großbritannien schielte.
Böse Zungen würden jetzt sagen: Die Geschichte wiederholt sich.
Unabhängigkeit mit Kompromissen
Harry und Meghan wollen sich freischwimmen - sich dabei aber nicht nass machen. Der Vorwurf: Sie nutzen ihren Titel, um Dollar in die Geldschatulle zu spülen. Mit Dokumentationen und Produktionen für die Streaming-Giganten Netflix und Spotify haben Harry und Meghan angeblich Millionen verdient. In einer neuen Serie für Netflix soll Meghan Tipps zum Kochen, Gärtnern und Gastgeben geben - passend dazu launchte sie 2024 ihre eigene Lifestylemarke "American Riviera Orchard".
Der Ärger über die Sussexes hat sich im Laufe des vergangenen Jahres sogar verschärft: Selbst viele, die Harry und Meghans Wunsch nach Unabhängigkeit nachvollziehen konnten, blicken nun mit getrübtem Blick nach Montecito. Denn nach den Krebsdiagnosen von König Charles und Prinzessin Kate hätte das Königshaus durchaus Unterstützung gebrauchen können. Die Riege der Working Royals schrumpfte auf einmal merklich - doch das Königshaus reagierte und brachte Andere in Stellung.
Aus Fehlern lernen - das können die Royals
Nach dem großen Knall folgten für das Königshaus fünf Jahre voller Veränderungen. Vielleicht hat es diesen Weckruf gebraucht. Die Monarchie schmeckt nicht jedem - allen voran Harry und Meghan. Zeit, die bestehenden Strukturen zu überdenken. Nicht das erste Mal in der Geschichte der Monarchie. Man denke an das Annus horribilis 1992, Dianas Tod 1997 oder den Verlust der Queen 2022.
Eine der größten Neuerungen: Nahbarkeit. Die Royal Family lässt sich mehr auf die Finger schauen, zeigt sich verletzlich, menschlich, greift aber auch mehr durch. Skandale wie die von Prinz Andrew werden nicht mehr unter den Teppich gekehrt. Als Working Royal wurde er aus dem Verkehr gezogen. Andere Personen, die lange ein Schattendasein führten, bekommen endlich eine Chance. Beatrice, Eugenie, Prinz Edward oder seine Frau Sophie.
Und was ist mit dem Happy End?
Der Traum von Harry und Meghan als moderne Zugpferde der Monarchie hat sich wohl ausgeträumt. Die "fortschrittliche Rolle", von der das Paar beim Megxit sprach, hat sich noch immer nicht gefunden. Immerhin: Die ersten großen Trümmer des Megxits sind beseitigt. Die Aufräumarbeiten laufen - und sie laufen gut.
Ende gut alles gut? Vielleicht noch nicht. Setzen wir lieber auf Fortsetzung folgt.
Quellen und weiterführende Links
BRISANT
dpa
YouGov
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 08. Januar 2025 | 17:15 Uhr