Psychologie Wenn Selfies zur Sucht werden: Hier bekommen Sie Hilfe
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27. Juli 2022, 14:45 Uhr
Das perfekte Selfie mit gefällt-mir-Garantie? Immer mehr Posts, immer mehr Likes? Psychologen sind sich einig, dass zu viele Selfies ungesund sind und sogar süchtig machen können. Wir erklären, wann es brisant wird und wo Sie Hilfe bekommen.
Acht Selfies am Tag nicht nur knipsen, sondern auch in den sozialen Netzwerken posten? Ist das noch selbstverliebt oder schon Grund zur Besorgnis? Diese Gründe veranlassen Menschen am häufigsten dazu, ein Selfie zu knipsen:
- Wenn sie Ihre Umgebung und Erlebnisse aufwerten wollen
- Wenn sie in einer Art Wettbewerb stehen und möglichst viele Likes in sozialen Medien erringen wollen
- Wenn sie Aufmerksamkeit erregen wollen, die sie sonst nicht bekommen
- Wenn sie sich einsam fühlen
- Wenn sie sich aufwerten wollen, weil sie das bearbeitete Bild schöner finden als sich selbst
- Wenn sie sich Ihrer Gruppe zugehörig fühlen wollen ("das machen alle so")
Das Selfie als Ersatzbefriedigung
Schnell das große Geld bei Facebook, Instagram oder Snapchat verdienen - wie die "großen Influencer"? Oder gar ein Star werden? Diese Vorstellung ist trügerisch. Denn die Haut, die Figur, die Haare, die Klamotten, der Freund, der Urlaub, der gesamte Lifestyle müssen als perfekt und erstrebenswert in Szene gesetzt werden. Immer. Jeden Tag.
Die eigene Persönlichkeit rückt in den Hintergrund. Stattdessen regiert der unbedingte Zwang, Likes zu generieren, um darüber Liebe und Bestätigung zu erfahren. Bleiben die Likes aus, reagieren Betroffene unsicher, nervös und zweifeln an ihrem Selbstbewusstsein.
Ich knipse, also bin ich
Werden Menschen süchtig nach Selfies, kann das zu ernsthaften psychologischen Störungen führen. Weil sie versuchen, über Selbstportraits ihr eigenes Ich zu stärken oder ihre Stimmung zu heben. Auch das stundenlange Retuschieren und Nachbearbeiten mit diversen Apps und Filtern lässt Betroffene die Realität verzerrt wahrnehmen. Weil sie dann ein möglichst perfektes Bild von sich zeigen möchten, das dem eigenen Ich gar nicht mehr entspricht.
Eine Umfrage unter Schönheitschirurgen ergab, dass 55 Prozent der Patienten um eine Operation baten, um ihr Aussehen auf Selfies zu verbessern.
"Selfitis" ist noch nicht als psychische Störung anerkannt. Und viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie auf dem besten Weg sind, in eine Abhängigkeit aus posen, knipsen und posten zu geraten.
Ein internationales Forschungsteam hat herausgefunden, dass besonders Männer und Heranwachsende im Alter von 16 bis 20 Jahren gefährdet sind. Die Studie ist zwar nicht repräsentativ, weil sie nur 400 Teilnehmer hatte, die höchstens 25 Jahre alt waren, doch die Forscher haben den Selfie-Zwang als ernstzunehmendes Problem erkannt.
Die drei Selfie-Sucht-Stufen
- Beunruhigend: Etwa drei Selfies am Tag, die aber nicht auf einer Social Media Plattform gepostet werden.
- Alarmierend: Deutlich mehr als drei Selfies am Tag, die auch auf einer Social Media Plattform gepostet werden.
- Krankhaft: Unkontrolliertes Bedürfnis, ständig Selfies zu schießen und davon mehr als sechs am Tag zu teilen.
Hier bekommen Selfie-Süchtige Hilfe
Die anonyme Sucht- und Drogen-Hotline bietet unter 01805/313031 rund um die Uhr Hilfe an.
Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet an sieben Tagen der Woche ein Beratungstelefon an: 0221/892031.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DSH) listet auf ihrer Internetseite unter der Rubrik "Einrichtungssuche" Kontaktdaten zahlreicher Anlaufstellen zum "problematischen Medienkonsum" auf.
(Dieser Artikel wurde erstmals am 21.06.2020 veröffentlicht.)
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 21. Juni 2020 | 17:00 Uhr