Dr. Maral Safadi (Sesede Terziyan) betritt gut gesichert die Isolationsstation.
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Experten-Check Charité Staffel 4: Science-Fiction-Medizin oder bald Realität?

11. April 2024, 10:31 Uhr

In der neuen Staffel von "Charité" wird die Zukunft der Medizin gezeigt: Die komplette Kontrolle aller Vitalfunktionen ist da ebenso selbstverständlich wie implantierte Chips oder Patienten-Forschung mithilfe Künstlicher Intelligenz

Zugleich drohen Gefahren: Gefährliche Bakterien kommen aus dem schmelzenden Eis, Operationen werden verweigert, weil Patienten eine schlechte Bewertung durch das Gesundheitssystem haben, Mikroplastik vergiftet Schwangere.

Unsere zukünftige Realität?

Viele der Zukunfts-Ideen in der Serie wurden gemeinsam mit den Wissenschaftlern und Expertinnen der Charité entwickelt.

Aber könnten einige dieser Szenarien tatsächlich eintreten? BRISANT macht den den Zukunfts-Check mit der neuem Staffel von "Charité"!

Szenario 1: Scoring System: Wer nicht mitmacht, hat Pech gehabt?

Ein Thema, das schon lange in Filmen und in der Literatur eine Rolle spielt, ist die Kontrolle unserer Gesundheitsdaten. In der neuen Staffel von "Charité" im Jahr 2049 ist das Realität:

Patienten, die aus Sicht des Gesundheitssystems nicht genug zu ihrer eigenen Gesundheit betragen, bekommen eine schlechte Bewertung ("Score"). Fazit: Die Zahlung bestimmter Eingriffe wird nicht mehr übernommen. Ein Aufruhr droht...

Die Protestanten demonstrieren am Eingang der Charité gegen die Gesundheitsreform.
Die Protestierenden demonstrieren am Eingang der Charité gegen die Gesundheitsreform. Bildrechte: ARD/MDR/Armanda Claro

Ist das realistisch? Ja, sagt Prof. Dr. Andreas Diefenbach. Er hat die Serienmacher zur neuen Staffel beraten und ergänzt, dass die Medizin zukünftig Krankheitsprozesse viel früher erkennen und individuell angepasste Konzepte zur Prävention und Behandlung entwickeln will. Doch das kostet natürlich viel:

Es wird daher tatsächlich darüber nachgedacht, Anreize für Prävention und Gesundheitsvorsorge zu schaffen. Teilweise gibt es diese ja heute schon, beispielsweise mit dem Bonusheft in der Zahnmedizin. Dieses Thema der Serie spielt also heute schon eine gewisse Rolle und wird sich weiterentwickeln.

Prof. Dr. Andreas Diefenbach, Institutsdirektor des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie an der Charité

Prof. Andreas Diefenbach
Prof. Andreas Diefenbach ist Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité und war einer von mehreren Fachberatern der Serie. Bildrechte: Charité | Wiebke Peitz

Szenario 2: Das Mikrobiom als Heilungschance?

Auch in der neuen Serien-Staffel bleibt die Charité weiterhin die Hochburg für den medizinischen Fortschritt. Spitzenforscherin Maral Safadi (gespielt von Sesede Terziyan, "WAPO Berlin") kehrt mit ihrer Frau Julia aus Boston zurück an die Charité. Ihr Thema: das Mikrobiom.

Gleich der erste Fall eines unbekannten Bakteriums fordert ihre Forschung heraus - ist sie einer bahnbrechenden Entdeckung auf der Spur? In der Serie ist die Mikrobiom-Forschung das Zentrum medizinischer Innovation und soll die Basis für die Heilung vieler Krankheiten sein.

Dr. Maral Safadi (Sesede Terziyan)
Dr. Maral Safadi (Sesede Terziyan) im Labor. Bildrechte: ARD/MDR/Armanda Claro

Der Reality-Check: Seit einigen Jahren spielt der Darm in der Gesundheitsforschung eine immer wichtigere Rolle - und in diesem Zusammenhang begegnet es auch dem ganz normalen Patienten immer mal wieder: das Mikrobiom. Also die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die in unserem Darm leben, aber auch auf der Haut und den Schleimhäuten.

Ist da was dran? Auf jeden Fall, wenn es nach den Serienmacherinnen geht: "Ausgangspunkt unserer Annäherung an eine glaubhafte Zukunft war die Frage, für welchen medizinischen Durchbruch es in 25 Jahren einen Nobelpreis geben könnte", so "Charité"-Produzentin Henriette Lippold.

Nobelpreiswürdige Forschung in der Nachfolge des berühmten Robert Koch? Sehen das die Medizin-Profis genauso?

Es ist ja Science Fiction sozusagen […] Ich glaube aber, dass das Mikrobiom-Thema sicherlich eines ist, das im Moment soweit gefestigt wird, dass man glauben darf, dass wir in 20 Jahren daraus zum Beispiel Therapien entwickeln können.

Prof. Dr. Andreas Diefenbach

Szenario 3: Neue Chancen dank KI?

In der Serie "Charité" ist es der Neurotechnologe Dr. Ferhat Williamson, der es Locked-In-Patienten ermöglicht, sich im digitalen Cyberverse frei zu bewegen. Ferhat versucht mit dieser Simulation die Nervenbahnen der Patienten neu zu stimulieren und so die Lähmungen zu überwinden.

Dr. Ferhat Williamson (Timur Isik, r. hinten) leitet die Simulation der Locked-In Patient:innen.
Dr. Ferhat Williamson (Timur Isik, r. hinten) leitet die Simulation der Locked-In-Patienten. Bildrechte: ARD/MDR/ARD Degeto/Arte/Ufa Fiction/Armanda Claro

Locked-In-Syndrom Der Patient oder die Patientin ist bei erhaltenem Bewusstsein vollständig gelähmt und unfähig, sich sprachlich oder durch Bewegungen verständlich zu machen.

Verursacht wird das z.B. durch einen Schlaganfall, eine Blutung, ein Schädelhirntrauma oder auch die Muskelkrankheit ALS.

Eine echte Chance auch für Patienten? Irgendwann vielleicht schon! Zumindest kann durch die neue Entwicklungen im Bereich Neurotechnologie die gemessene Hirnaktivität in Echtzeit vorgenommen werden.

"Das ermöglicht sogenannte Gehirn-Computer-Schnittstellen. Das ist ein neues Feld […], das eine Relevanz bekommen wird", schätzt Neurotechnologe Prof. Dr. med. Surjo R. Soekadar, diese Entwicklungen ein.

Prof. Soekadar
Prof. Dr. med. Surjo R. Soekadar ist Neurotechnologe und medizinischer Berater der Serie Bildrechte: Charité | Wiebke Peitz

Mit dem Start der neuen ARD-Staffel Charité hinterfragt auch der Mediziner, Moderator und Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen, welche Fortschritte die Medizin für unsere Zukunft bereithält.

In Hirschhausen - Medizin von Morgen erfährt er in einem Eigenexperiment, was jetzt schon in Sachen "Gedankenlesen" möglich ist und Patienten zum Beispiel mit ALS helfen könnte: "Es kann schon sein, dass zukünftig Leute mit implantierten Chips ihren Rollstuhl steuern oder wieder kommunizieren können", sagt Informatiker Dr. Christoph Reichert vom Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg.

Vor der MDR-Kamera im Gespräch: Eckart von Hirschhausen (Mitte) mit einer EEG-Haube und Informatiker Dr. Christoph Reichert. Er hat eine Methode entwickelt, die bald Locked-in-Patienten zugutekommen soll.
Eckart von Hirschhausen (Mitte) mit einer EEG-Haube und Informatiker Dr. Christoph Reichert. Bildrechte: MDR/Tobias Thiergen

Szenario 4: Hacker-Angriff in der Charité?

In der 4. Staffel von "Charité" ist die Zukunft der Medizin hochtechnologisch und OP-Roboter führen die meisten Eingriffe durch.

Doch in der letzten Folge der Serie gibt es einen Hackerangriff: Überall fallen Systeme aus, die Klimaanlage versagt, Türen lassen sich nicht mehr öffnen, Beatmungsgeräte fallen aus.

Dr. Seda Safadi (Adriana Altaras) bangt um die Herz-OP des Gesundheitsministers.
Alle Systeme sind lahmgelegt: Dr. Seda Safadi (Adriana Altaras) bangt um die Herz-OP des Gesundheitsministers. Bildrechte: ARD/MDR/Armanda Claro

Realistisch? Auf jeden Fall: Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen werden bereits jetzt immer häufiger zum Ziel von Cyberattacken. Ein großflächiger Angriff mit vielen Ausfällen ist ein denkbares Szenario, so die Einschätzung des Bundesamtes für Sicherheit und Informationstechnik (BSI).

Szenario 5: Paläo-Bakterien und Antibiotika-Resistenzen

Bereits heute sind Antibiotikaresistenzen ein Thema der Medizin. In der Serie hat dieses Problem eine neue Dringlichkeit: Forscher arbeiten in "Charité" an der Idee individuell designter Antibiotika und erhalten bahnbrechende Erkenntnisse durch ein Paläo-Bakterium, das nicht nur gefährlich ist, sondern auch heilen kann.

Ist das wirklich eine Option? Die Experten schätzen das durchaus so ein, so wie Prof. Diefenbach von der Charité: "Ein weiteres wichtiges Thema ist die Zunahme von Antibiotikaresistenzen, die durch den breiten und leider oft ungerichteten Einsatz von Antibiotika verursacht werden. […] Die Forschung an sogenannten Paläo-Bakterien […] spielt aktuell schon eine Rolle in der Resistenzforschung. Dies lässt Schlüsse über das Vorhandensein von Resistenzmechanismen zu, die dem Antibiotikazeitalter weit vorausgingen."

Dr. Maral Safadi (Sesede Terziyan, r.) behandelt ihren schwerkranken Patienten Piet Baldwin (Terence Schweizer, l.).
Dr. Maral Safadi (Sesede Terziyan, r.) ist dem Paläo-Bakterium auf der Spur. Bildrechte: ARD/MDR/ARD Degeto/Arte/Ufa Fiction/Armanda Claro

Szenario 6: Mikroplastik im Körper?

In der Serie zeigt der Muttermund-Abstrich bei Julias schwangerer Patientin Dasha auffällige Ablagerungen. Ein Bluttest bestätigt schließlich, dass in Dashas Körper so viel Mikroplastik zirkuliert, dass sie und ihr ungeborenes Kind vergiftet werden. Nur eine hochriskante OP kann beide retten...

Der Reality-Check: Können wir Mikroplastik aufnehmen? Ja, das ist möglich: Forschende der Universität Amsterdam haben in einer Studie (2022) erstmals festgestellt, dass Mikroplastik auch in unserem Gefäßsystem zirkuliert. Sie konnten die kleinen Plastikteilchen erstmals in menschlichem Blut nachweisen.

Noch mehr Experten-Wissen und Hintergründe im Making-Of powered by BRISANT

Ein BRISANT-Making-of (ab 5. April in der ARD Mediathek) schaut hinter die Kulissen der Dreharbeiten und hat die Medizin-Expertinnen und Experten der "Charité" im Interview und zeigt die Arbeit bevor und nachdem die Filmklappe fällt. Die Schauspielerinnen und Schauspieler erzählen, wie sie sich vorbereitet haben und die Macher berichten, wie sie die Serie in die Zukunft verlegt haben - inklusive jede Menge Behind-the-scenes-Material.

Die vierte Staffel "Charité" ist ab dem 5. April in der ARD Mediathek zu sehen und läuft ab dem 9. April um 20:15 Uhr im Ersten.

Filmszene: Charite - Ärzte in futuristischem OP-Saal 3 min
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Brisant Fr 05.04.2024 17:10Uhr 02:38 min

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Gebäude der Charité in der Serie, 2049 3 min
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Zukunftsforscher 3 min
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Brisant_Charite-Hirschhausen-Making-Off-Charite 13 min
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Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 05. April 2024 | 17:15 Uhr

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