
1. Todestag von Queen Elizabeth II. Long Live the King: Ein Jahr König Charles - Eine Bilanz
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20. September 2023, 13:25 Uhr
Vor fast genau einem Jahr, am 8. September 2022, ging eine Ära zu Ende - manche sprechen sogar vom zweiten Elisabethanischen Zeitalter: Queen Elizabeth II. schloss für immer die Augen.
Nach 70 Jahren Regentschaft hieß es plötzlich: Long Live the King!
Die Briten mussten sich erst einmal an ihren neuen König gewöhnen, auch wenn der Thronwechsel geschmeidiger als gedacht verlief. Änderungen sind trotzdem sichtbar.
Geld und Co.:
Auf Briefmarken und einigen Münzen ist der Thronwechsel wohl am sichtbarsten, denn sie tragen bereits das Profil von König Charles. Auf Geldscheinen dürfte er allerdings erst Mitte 2024 auftauchen.
Interessanter Sidefact: Der Tradition entsprechend blickt der Monarch nach links - nachdem seine Vorgängerin nach rechts geschaut hatte.
Doch auch ein Jahr nach Elizabeths Tod sind noch Milliarden Geldstücke mit dem Antlitz der Queen im Umlauf - und auch weiter gültig. Sofort geändert haben sich Namen von Institutionen, Behörden oder auch Kultureinrichtungen. Ihre offizielle Bezeichnung lautet nun "His Majesty's…" (Seiner Majestät) und nicht mehr "Her Majesty's…" (Ihrer Majestät).
Volksnaher König? Charles und die Öffentlichkeit
Eins ist klar: Hinter König Charles liegt ein aufreibendes Jahr. Der Royal hat sich ein straffes Pensum zugemutet - und das mit fast 75!
Bis zu seiner offiziellen Sommerpause auf Schloss Balmoral, gönnte sich Charles keine Pause: Kaum eine Woche ohne öffentlichen Auftritt, Charles und Camilla reisten unermüdlich durchs Land, besuchten alle Landesteile.
Und auch außerhalb von Great Britain zeigte sich der neue König: Besonders in Erinnerung blieb sein Deutschlandbesuch im März. Vorher sollte es eigentlich nach Frankreich gehen, doch die Stippvisite wurde wegen der gewalttätigen Rentenproteste abgesagt. Die Reise wird wohl im Frühjahr 2024 nachgeholt. Auch die früheren Kolonien Kenia und Australien sollen auf Charles' Reiseliste stehen.
Queen Elizabeth war in den vergangenen Jahren - bedingt durch die Pandemie und ihre Gesundheit - immer seltener öffentlich aufgetreten. Die Briten haben also wieder einen Monarchen zum Anfassen. "Ich glaube, wir hatten schon fast vergessen, was es bedeutet, wenn man sieht, dass das britische Staatsoberhaupt Staatsbesuche unternimmt", sagt der Verfassungsrechtler Craig Prescott.
Goodbye Buckingham Palace: Charles' Wohnort
Man mag es kaum glauben, aber: Der Buckingham-Palast ist als Wohnort gar nicht so beliebt. Schon die Queen und Prinz Philip sind nach König Georges Tod nur äußerst ungern umgezogen. Der Palast gilt als zu groß, zu alt und zugig.
Kein Wunder also, dass der Buckingham-Palast seit Philips Tod quasi leer steht - denn auch die Queen blieb seitdem lieber auf Schloss Windsor.
Charles hat die royalen Residenzen komplett neu sortiert. Zwar ist wieder London der Mittelpunkt der Monarchie, allerdings nicht der Buckingham-Palast, der noch bis 2027 umfassend renoviert wird, sondern das nahe gelegene Clarence House. Hier wohnte Charles schon vor der Thronbesteigung mit seiner Frau Camilla.
Allerdings soll das nicht von Dauer sein, wie der Palast betont: Spätestens mit Abschluss der Renovierungsarbeiten soll Charles in das Stadtschloss einziehen.
Jack Russells statt Corgis
Die Royals sind für ihre Tierliebe bekannt - Charles ist da keine Ausnahme.
Legendär war Queen Elizabeths Corgi-Zucht. Die kleinen kurzbeinigen Hunde folgten der Monarchin auf Schritt und Tritt. Ihren ersten Corgi bekam sie bereits als Kind geschenkt. Ihre letzten beiden Hunde, Muick und Sandy, überlebten ihr Frauchen und wohnen jetzt bei Prinz Andrew und seiner Ex-Frau Sarah "Fergie" Ferguson.
Charles hält auch Hunde - setzt allerdings auf eine andere Rasse: Jack Russell Terrier.
Schönes Detail: Königin Camilla ließ ihre Hunde Beth und Bluebell auf ihrer Krönungsrobe verewigen.
König Charles: Ein Blick in die Zukunft
Immer wieder wurde angekündigt: Die Monarchie soll moderner werden - und so auch der Monarch.
Bereits bei der Krönungszeremonie gab es deshalb einige Neuerungen: Die Zeremonie war kürzer, knackiger, der Dresscode lockerer und das Budget kleiner.
Während seine Mutter ikonenhaft über den Dingen zu schweben schien, gibt sich Charles nahbar. Die "stiff upper lip" der britischen Oberschicht (durchhalten und sich nicht erschüttern lassen) legt Charles immer mehr ab. Er zeigt sich emotionaler und kommunikativer.
Bestes Beispiel: In seiner ersten Rede ans Volk war er ganz offensichtlich den Tränen nah - die Queen sah man hingegen nie weinen. Und auch die Nerven liegen mal blank - was ganz natürlich ist und Charles menschlich macht, denn auch ein König ist eben keine Maschine: In Nordirland echauffierte er sich über einen klecksenden Füller.
Vielfach gelobt wurde auch seine Entscheidung, die royalen Archive für Recherchen über Verbindungen zwischen Krone und Sklavenhandel zu öffnen.
"Allein, dass es einen König und eine Königin gibt, ist etwas, was wir seit 1952 nicht mehr hatten", sagt Experte Prescott, der aktuell an einem Buch über moderne Monarchie arbeitet. "Man könnte also sagen, wir bewegen uns langsam in Richtung einer normaleren Monarchie." Es gebe einen König und eine Königin, aber nicht mehr eine Art Übermutter, wie Elizabeth II. es gewesen sei, die eher einer internationalen Ikone glich.
Hat die Monarchie eine Zukunft?
Böse Zungen sagen, die Monarchie verliere deshalb an Glanz und Bedeutung. Vielleicht aber wird sie aktuell nur renoviert, so wie der Buckingham Palace - und bald in neuem Glanz zurückkehren.
Quellen und weiterführende Links
BRISANT
dpa
Munzinger Archiv
The Royal Family
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 01. September 2023 | 17:15 Uhr