Eine Psychologin im Studio 11 min
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Immer besser werden So gefährlich ist der Selbstoptimierungs-Trend

05. März 2024, 16:47 Uhr

Trendforscher bezeichnen das 21. Jahrhundert als "Zeitalter der Selbstoptimierung" - was steckt dahinter? Einfach erklärt, geht es darum, die "bestmögliche Version von sich selbst" anzustreben. Das kann verschiedene Lebensbereiche umfassen - aber auch Druck und Selbstzweifel verstärken. Wo Selbstoptimierung sinnvoll ist und wann es ungesund werden kann:

In welchen Bereichen wir uns selbst optimieren können

Früher ging es bei der Selbstoptimierung darum, ein paar Kilo abzunehmen, das Gedächtnis zu trainieren oder mehr Sport zu treiben. Doch inzwischen hat der Trend noch weitere Lebensbereiche erreicht.

Die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit erhöhen, länger innerlich und äußerlich jung bleiben, Karriere-Coaching wahrnehmen, Selbstbewusstsein trainieren… Die Möglichkeiten der individuellen Leistungssteigerung sind zahlreich. Überall können wir das Beste aus uns herausholen. Oder doch nicht?

Frau sortiert Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel
Nährstoffe, Vitamine, Nahrungs-Ergänzungen - auch in der Ernährung wollen wir uns immer stärker optimieren. Bildrechte: IMAGO / Pond5 Images

Eigentlich ist der Gedanke der Selbstoptimierung eine tolle Sache, denn Ziele motivieren uns. Dazu hat das ARD Mittagsmagazin mit der Psychologin Eva Asselmann gesprochen. Sie warnt davor, die Ansprüche an sich selbst zu hoch anzusetzen:

Es liegt in der Natur des Menschen, sich immer weiterentwickeln und verändern zu wollen, was ja an und für sich extrem positiv und gut ist, denn wir müssen uns immer wieder anpassen, um mit neuen Herausforderungen im Leben gut umgehen zu können - Stichwort: lebenslanges Lernen. Wir müssen nur aufpassen, dass es nicht zu krass wird und zu exzessiver Selbstoptimierung ausartet.

Prof. Dr. Eva Asselmann ARD Mittagsmagazin

Biohacking - sinnvoll oder übertrieben?

Ein Beispiel ist das sogenannte "Biohacking". Klingt nach Science Fiction und ist doch schon ganz nah an unserem Alltag: mit Fitnesstrackern, Schrittzählern und Pulsmessern, die viele von uns ganz selbstverständlich am Handgelenk tragen. Laufe ich genug? Schlafe ich genug? Was macht mein Blutdruck?

Professionelle Biohacker messen und kontrollieren fast alle Körperfunktionen, um sie zu optimieren. Die gemessenen Werte beeinflussen, was wir essen, wann wir schlafen und wie viel Sport wir treiben. Besonders prominente Biohacker, wie Unternehmer Dave Asprey oder Bryan Johnson, machen damit Schlagzeilen.

Wenn der Selbstoptimierungswahn krank macht

Egal, ob Fitness, Karriere oder Persönlichkeit: Der Trend zur Selbstoptimierung kann auch ins Gegenteil umschlagen. Was, wenn wir spüren, dass uns die vermeintliche Selbstverbesserung mehr stresst als hilft? Dass wir nicht alles schaffen, was wir uns vorgenommen haben oder glauben, leisten zu müssen?

Selbstoptimierung habe häufig keinen Anfang und kein Ende und führe damit auch nie zu einem Zustand der Zufriedenheit, umschreibt Dr. Julia Schreiber, Psychologin an der Goethe Universität Frankfurt am Main, das Problem. Der zusätzliche Druck, den viele Menschen durch Social Media und vermeintlich perfekte und glückliche Influencer empfinden, trägt ebenfalls dazu bei, das eigene Leben, den eigenen Körper zu kritisch zu sehen.

Frau im Fitness-Studio
Und wenn ich das alles nicht schaffe? Selbstoptimierung kann auch zu viel Druck verursachen. Bildrechte: IMAGO / SuperStock

Alltags-Tipp: Selbstbestimmung statt Selbstoptimierung - Was tut mir gut?

Diverse Studien belegen, dass Menschen nicht unbedingt glücklicher werden, wenn sie es beruflich oder gesellschaftlich an die Spitze schaffen. Sie sind eher zufrieden, wenn sie mit sich selbst und abgestimmt auf ihr eigenes Potential und Können in Einklang leben. Glück kann nicht gesellschaftlich bestimmt werden. Es ist ein individuelles Empfinden, das jeder Mensch für sich im Rahmen seiner eignen Werte und Grenzen festlegt!

Lächelnde Freundinnen liegen auf einer Wiese im Park.
Was Glück ist, bestimmen wir selbst - für die meisten Menschen sind Beziehungen wichtiger als Erfolg oder Leistung Bildrechte: IMAGO / Westend61

Den Blick auf eigene Stärken richten

Schlank, schlau, erfolgreich, glücklich und für immer jung? Das kann niemand schaffen - und wer es versucht, verpasst vielleicht sein Leben. Fragen Sie sich also ganz bewusst: Was gelingt mir schon gut? Wo liegen meine persönlichen Stärken? Das hilft, den Blick auch auf das zu lenken, was gut ist. Ungewohnt, denn wir sind es eher darin geübt, zu kritisch mit uns selbst zu sein.

Psychologin Eva Asselmann rät hier, durchaus auch Familie und Freunde einzubeziehen und nachzufragen, wo sie unsere Stärken sehen. Diese dann bewusst auszubauen gelingt oft leichter, als gegen die eigene Persönlichkeit zu arbeiten.

Auch andere im Blick behalten

Der Wunsch nach Selbstoptimierung kann dazu beitragen, vor allem sich selbst, die eigene Leistung verbissen im Blick zu behalten. Die Einladung zum Abendessen ablehnen, weil man nach 18 Uhr nicht mehr isst? Nicht mit den Freunden in den Urlaub fahren, weil dann der Trainingsplan leidet?

Das wäre schade - und auch nicht wirklich gesund, denn das Zusammensein und der Austausch mit anderen tut uns gut und relativiert auch manche (vielleicht) überhöhten Ziele. Denn: Auch unsere Freunde und Familie sind nicht perfekt und gerade deshalb lieben wir sie! Gönnen Sie diesen wohlwollenden Blick auch sich selbst!

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Mittagsmagazin | 19. Februar 2024 | 12:10 Uhr

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