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"Reichsbürger" und "Selbstverwalter" erkennen die BRD nicht an und stellen sich Fantasie-Dokumente aus. Bildrechte: IMAGO / Christian Ohde

VerschwörungsmythenWas sind eigentlich "Reichsbürger" und woran glauben sie?

22. Mai 2024, 09:18 Uhr

Die Begriffe "Reichsbürger" oder "Selbstverwalter" werden häufig als Sammelbezeichnung verwendet, um eine Vielzahl unterschiedlicher Gruppen und Einzelpersonen zu beschreiben, die die Bundesrepublik Deutschland generell ablehnen - und daher auch deren Vertreter und Behörden, alle Gesetze und Gerichtsurteile.

Viele von ihnen geben deshalb auch ihren Personalausweis ab. Stattdessen beschaffen sie sich Fantasie-Dokumente, drucken Autokennzeichen oder Währungen selbst. Oft weigern sie sich, Steuern oder Gebühren zu zahlen.

Deep State, Tag X und Co.: Daran glauben die "Reichsbürger"

Verbunden sind die zahlreichen Gruppen und Mitglieder u.a. in dem Glauben, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert. Außerdem teilen sie zahlreiche Verschwörungsmythen. Die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft zu den aktuellen "Reichsbürger"-Prozessen listet die wichtigsten auf:

  • "Deep State": Dieser Verschwörungsmythos kommt aus den USA, die angeblich von einer kriminellen Elite beherrscht werden. Der Bundesanwaltschaft zufolge waren die Reichsbürger fest davon überzeugt, dass auch Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten Deep State regiert werde.
  • Die "Allianz" ist nach Überzeugung der Gruppierung ein technisch überlegener Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Militärs verschiedener Staaten wie Russland und den USA. Diesen Geheimbund gibt es nicht, aber es gab einen eigenen "Verbindungsoffizier" der "Reichsbürger"-Gruppe: Marco van H. - er steht seit Ende April in Stuttgart vor Gericht.
  • "Tag X": Am "Tag X" sollte die "Allianz" offenbar die obersten staatlichen Institutionen angreifen, die "Reichsbürger"-Gruppe habe dann die übrigen Institutionen und Amtsträger auf Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene beseitigen wollen, so die Anklage. Als Datum für diesen Tag wurde dem Generalbundesanwalt zufolge unter anderem der Tod der britischen Königin Elizabeth II. diskutiert, die allerdings im September 2022 verstarb.

Welche Gruppierungen gibt es?

Der Verfassungsschutz kennt und beobachtet rund 30 aktive Gruppierungen. Sie haben vielsagende Namen wie "Bismarcks Erben", "Staatenbund Deutsches Reich", "Verfassungsgebende Versammlung" oder "Exilregierung Deutsches Reich".

Allein vier Gruppierungen der "Reichsbürger"-Szene repräsentieren ihrem Selbstverständnis nach einen "Freistaat Preußen". Andere versuchen zum Beispiel "preußische" Gemeinden zu "reorganisieren", um sie unter "Selbstverwaltung" zu stellen.

Prominentes Beispiel: "Königreich Deutschland" in Sachsen

Ein Beispiel neben dem aktuell angeklagten Heinrich XIII. Prinz Reuß: Die Gruppierung "Königreich Deutschland" besteht seit 2012. Peter Fitzek, gelernter Koch und Karatelehrer aus Sachsen-Anhalt, rief sein Reich mit entsprechender Verfassung aus, und krönte sich in einer Zeremonie mit Hermelinmantel, Schwert und Krone selbst.

2022 erwarb die Gruppe zwei Anwesen in Sachsen, um dort autarke Strukturen zu errichten und ein eigenverwaltetes "Staatsgebiet" entstehen zu lassen.

Warum sind "Reichsbürger" gefährlich?

Da "Reichsbürger" die Bundesrepublik nicht anerkennen, erkennen sie auch deren Vertreter nicht an. Regelmäßig bedrohen sie Polizisten, Behördenmitarbeiter oder Gerichtsvollzieher.

Angriffe auf Staatsbedienstete sind nicht selten, so zum Beispiel im Oktober 2016 in Georgensgmünd in Bayern. Dort tötete ein 50-jähriger Szeneangehöriger einen Polizeibeamten und verletzte drei weitere Mitarbeiter eines Spezialeinsatzkommandos, die Schusswaffen bei ihm sicherstellen wollten.

Problem: "Reichsbürger" haben Waffen

Von den 23.000 Personen, die laut Verfassungschutz im Jahr 2022 zur Reichsbürgerbewegung gehörten, rechnet die Behörde 1.250 Personen der rechtsextremen Szene zu. 2.100 Personen gelten als gewaltorientiert, rund 400 Personen besitzen legal eine oder mehrere Waffen.

Viele "Reichsbürger" besitzen legal eine Waffe. Bildrechte: imago/Christian Ohde

Aktuell: Drei Prozesse gegen "Reichsbürger"-Gruppe

Am 21. Mai 2024 beginnt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt der Prozess um die "Reichsbürger"-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß.

Zum Prozessauftakt gegen die mutmaßliche "Reichsbürger" - Gruppe steht der Hauptangeklagte Heinrich XIII. Prinz Reuß (M) zwischen seinen Verteidigern. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Pool | Boris Roessler



Eine weitere Gerichtsverhandlung um den militärischen Arm der Gruppe "Reuß" hatte Ende April 2024 in Stuttgart begonnen.


Die Verschwörergruppe "Vereinte Patrioten" soll u.a. geplant haben, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu entführen und eine paramilitärische Organisationen aufzubauen.

Der "Militärische Arm" sollte den Umsturz mit Waffengewalt durchsetzen. Die Gruppe soll laut Bundesanwaltschaft Zugriff auf ein "massives Waffenarsenal" gehabt haben, das aus rund 380 Schusswaffen, fast 350 Hieb- und Stichwaffen und fast 500 weiteren Waffenteilen bestanden habe.

In München stehen ab dem 18. Juni die übrigen mutmaßlichen Mitglieder der Reuß-Gruppe vor Gericht. 

Quellen und weiterführende Links:

Dieses Thema im Programm:Das Erste | BRISANT | 21. Mai 2024 | 17:15 Uhr