Xavier Naidoo
Gesinnungswandel oder Karriere-Rettung? Xavier Naidoo distanziert sich von seinen früheren Äußerungen. Bildrechte: IMAGO / Kadir Caliskan

Rolle rückwärts? Xavier Naidoo distanziert sich vom eigenen Verschwörungs-Geschwurbel

20. April 2022, 16:34 Uhr

Die deutsche Popmusik hat er geprägt wie kaum ein Zweiter. Dennoch hat Sänger und Musiker Xavier Naidoo zuletzt vor allem durch fremdenfeindliche Aussagen, die Verbreitung von Verschwörungstheorien und als Gegner der Corona-Maßnahmen für Aufmerksamkeit gesorgt. Das hat ihn nicht nur Fans, sondern auch den ein oder anderen Job gekostet. Jetzt rudert der Musiker in einer Videobotschaft auf YouTube zurück und distanziert sich von dem Gedankengut, das er einst fleißig verbreitet hat. Was steckt dahinter?

"(Ich) habe Dinge gesagt und getan, die ich heute bereue", resümiert Xavier Naidoo in einer Videobotschaft auf YouTube und gibt zu, sich in der Vegangenheit in Verschwörungsmythen verrannt zu haben.

"Ich habe mich Theorien, Sichtweisen und teilweise auch Gruppierungen geöffnet, von denen ich mich ohne Wenn und Aber distanziere und lossage", sagt der 50-Jährige in dem etwas mehr als dreiminütigen Video mit dem Titel #OneLove, das am Dienstag (20. April) veröffentlicht wurde.

Er sei von Verschwörungserzählungen "geblendet" gewesen, habe diese nicht genug hinterfragt und sich zum Teil "instrumentalisieren" lassen.

Das habe ich leider jetzt erst erkannt. Ich habe Dinge gesagt und getan, die ich heute bereue.

Xavier Naidoo YouTube

Sinneswandel durch Krieg in der Ukraine?

Eine späte Einsicht für einen 50-jährigen Mann, der einst die mittlere Reife absolvierte und über Jahre als Juror, Moderator und mit eigenen Shows im TV präsent war. Die Rolle desjenigen, der sich blenden und instrumentalisieren lässt, mag man ihm nicht so recht abnehmen. Und das liegt nicht zuletzt an der Begründung, die Naidoo für seinen plötzlichen Sinneswandel anführt.

Den erklärt der Musiker nämlich mit dem Krieg in der Ukraine. "Die Welt scheint wie auf den Kopf gestellt und ich habe mich gefragt, wie es so weit kommen konnte." Er habe viel mit Betroffenen gesprochen - und sich kritischen Fragen zu eigenen Äußerungen stellen müssen. Dafür sei er dankbar.

"Ich habe erkannt, auf welchen Irrwegen ich mich teilweise befunden habe und dass ich in den letzten Jahren viele Fehler gemacht habe." Ihm sei bewusst geworden, dass er seine Familie, Freunde und Fans mit "verstörenden Äußerungen irritiert und provoziert habe, für die ich mich entschuldigen möchte", sagt Naidoo im Video.

Xavier Naidoo
Spielte früher in ausverkauften Hallen, begeisterte mit seiner Musik Millionen: Xavier Naidoo. Bildrechte: IMAGO / Kadir Caliskan

Rassismus, Antisemitismus, Verschwörungstheorien, Corona-Leugner

Was sich Sänger Xavier Naidoo in den letzten Jahren moralisch hat zuschulden kommen lassen, ist alles andere als ohne. Bei Demonstrationen sogenannter Reichsbürger trat er nicht nur musikalisch, sondern auch als Redner auf - erstmals im Jahr 2014

Einzelne Zeilen seiner Songs brachten Xavier Naidoo Rassismus-Vorwürfe ein. "Teile eures Volks nennen euch schon Hoch- beziehungsweise Volksverräter", heißt es in seinem Song "Marionetten" aus dem Jahr 2017. Ein Urteil des Landgerichts Regensburg, das der "Amadeu-Antonio-Stiftung" untersagte, Xavier Naidoo als Antisemit zu bezeichnen, wurde später vom Verfassungsgericht Karlsruhe kassiert.

Ab 2020 machte Xavier Naidoo fast nur noch mit rassistischen, rechtsextremen, antisemitischen und verschwörungstheoretischen Aussagen auf sich aufmerksam. Musikalisch war nur wenig von ihm zu hören. Er leugnete die weltweite Corona-Pandemie, ebenso den Klimawandel, gab Verschwörungsmythen aus der "QAnon"-Bewegung wieder und äußerte sich erneut antisemitisch.

Zu Themen wie der Klimakrise oder den rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz brachte er via "Telegram" fragwürdige Videos in Umlauf. Sein Song "Ich mach da nicht mit", wurde aufgrund seiner verbreiteten Verschwörungsaussagen nach kurzer Zeit wieder von Streaming-Plattformen gelöscht.

Dieter Bohlen, Pietro Lombardi, Oana Nechiti und Xavier Naidoo bei der Ankunft zum Finale der 16. Staffel der RTL-Castingshow Deutschland sucht den Superstar.
Seine fragwürdigen Äußerungen haben Xavier Naidoo zahlreiche Jobs gekostet. Zuletzt seinen Platz in der Jury von DSDS. Bildrechte: IMAGO / Future Image

Umdenken oder Comeback-Versuch?

Bereits Ende Februar äußerte sich Xavier Naidoo im Zuge der erneuten Corona-bedingten Absage seiner Open-Air-Tour vergleichsweise versöhnlich. In einer Stellungsnahme des Künstlers war von einem Leugnen der Pandemie keine Rede mehr - dabei hatte der Ukraine-Krieg zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht begonnen.

Ich hoffe, dass wir schon bald alle gemeinsam diese Pandemie überwunden haben und ich meine Tournee dann endlich spielen kann. Halte(t) durch und vor allem haltet zusammen, denn was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen.

Zahlreiche Jobs hatte Xavier Naidoo infolge seiner kritischen und verfassungsfeindlichen Äußerungen verloren - u.a. die Möglichkeit, Deutschland beim "Eurovision Song Contest" zu vertreten. Ob es sich bei seinem aktuellen Rückrudern nun tatsächlich um ein Umdenken handelt oder vielmehr um einen verzweifelten Versuch, an seine einstigen musikalischen Erfolge anzuknüpfen, das wird abzuwarten bleiben. An Glaubwürdigkeit hat der einstige Vorzeige-Künstler verloren. Er wird sich auch künftig vielen kritischen Fragen stellen müssen.

Hinweis Dieser Artikel wurde am 20.04.2022 zum ersten Mal veröffentlicht.

Quellen und weiterführende Lins

BRISANT
dpa
afp
Munzinger

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 20. April 2022 | 17:15 Uhr

Weitere Themen