Gefährlicher TrendDünn, dünner, am dünnsten: Magersucht-Challenge bei TikTok
Was vor Jahren als "Pro Ana" in geschlossenen Internet-Foren begann, findet jetzt verjüngt in aller Öffentlichkeit statt. Offensichtlich minderjährige Kinder und Jugendliche laden im Sozialen Netzwerk TikTok Videos ihrer abgemagerten Körper hoch. Eine Magersucht-Challenge, die vom Musically-Nachfolger bislang nicht gestoppt wird. Was steckt dahinter - und was können Eltern tun, um ihre Kids vor diesem gefährlichen Trend zu schützen?
Skinny Check! Magersucht-Challenge auf TikTok
Dünne Ärmchen und Beinchen bewegen sich zum immer gleichen Lied: "If you like to talk to tomatoes", Titelsong der Serie "VeggieTales". Mehr als 39.000 Videos sind zu diesem Kinderlied auf der Plattform TikTok zu finden.
Hohlwangig und mit spitzen Schlüsselbeinen präsentieren ausgemergelte Minderjährige ihre Magersucht: schlackernde Size-0-Jeans, Handgelenke, die von Clip zu Clip immer dünner werden. Ihr gemeinsamer Code: "Skinny Check!", markiert mit den Hashtags #ed und #edrecovery. Ersteres steht für Esstörung, #edrecovery markiert, dass sich der User gerade von einer Esstörung erholt.
Kinder-Version von "Pro Ana" und "Mia"
Ein gefährlicher Trend, der die Gefahren der Social-Media-Plattform TikTok deutlich macht. Denn hier sind Kinder am Werk, zwölf, dreizehn Jahre alt. Und das ist neu. Denn Pro-Anorexie- und Bulimie-Blogs und -Websites, auf denen sich Essgestörte gegenseitig zum Abnehmen motivieren, die gibt es bereits seit Anfang der 2000er-Jahre - und richten sich explizit an Erwachsene. Diese Blogs sind nur mit persönlichem Login einsehbar.
Jetzt laden Kinder zur Magersucht-Challenge, dokumentieren öffentlich ihre tägliche Kalorienzufuhr, den Gang zum Psychologen, den Klinikaufenthalt. Gegenstimmen und Satiren gibt es nur wenige.
Weshalb stoppt TikTok den "Skinny Check" nicht?
Weshalb TikTok diese Challenges gestattet - und Hashtags wie #ed und #edrecovery nicht sperrt, ist nicht nachvollziehbar. Erst vor wenigen Monaten ist der chinesische Musically-Nachfolger des Betreibers Bytedance in die Kritik geraten, da Beiträge von behinderten, homosexuellen oder auch adipösen Usern gezielt gedowngraded bzw. gesperrt worden sind.
China-kritische Videos werden meist innerhalb weniger Minuten gelöscht, ebenso Selbstverletzungs- und Body-Positivity-Kampagnen. Die Magersuchts-Challenge von Kindern ist mit fast 40.000 Videos dagegen gut repräsentiert - und auch für nicht eingeloggte Interessenten sichtbar.
Auch auf Instagram und Facebook werden immer wieder Inhalte gepostet, die Magersucht, Depression oder Selbstverletzung zur Schau stellen und verherrlichen. Die meisten Hashtags werden hier jedoch gesperrt.
Beim Blogger-Netzwerk Tumblr werden die Themen zwar gezeigt, allerdings mit einer deutlichen Warnung und einem Link auf eine Hilfeseite versehen. Und: Hauptzielgruppe dieser Netzwerke sind in erster Linie Erwachsene.
Minderjährige stellen sich öffentlich zur Schau
Die Seite Jugendschutz.net, das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet, warnt in erster Linie vor den Voreinstellungen von TikTok. Sie seien unsicher - Kinder und Jugendliche geben ihre Inhalte ohne Vorwarnung nicht nur auf der Plattform, sondern im gesamten www preis. Sexuellen Belästigungen via Kommentarfunktion sind damit Tür und Tor geöffnet.
Lobend erwähnen die Jugendschützer aber auch, dass Hashtags, die allzu freizügige Kindervideos beinhalten, vom Anbieter schnell gelöscht werden. Zur "Skinny Check"-Problematik gibt es bislang keine Aussagen.
Wie können Kinder vor dem gefährlichen Trend geschützt werden?
TikTok richtet sich an jugendliche Nutzer ab einem Alter von 13 Jahren. Doch in der Realität sind viele von ihnen deutlich jünger. Denn ob man bei der Anmeldung bei seinem Geburtsdatum schummelt, das überprüft niemand. Umso wichtiger ist es, dass Eltern die Smartphone-Aktivitäten ihrer Sprösslinge im Blick haben.
Möglich ist das sowohl für Apple- als auch Android-Handys über die sogenannte Familienfreigabe. Darüber können Eltern per Zustimmung oder Ablehnung steuern, ob ihr Kind eine bestimmte App herunterladen darf. Außerdem können die Alterssperren für den App-Store auf den Geräten der Kinder aktiviert werden, dann gibt's TikTok wirklich nur für Kids ab Dreizehn.
Quellen: FUNK, tagesschau.de
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Dieses Thema im Programm:Das Erste | BRISANT | 13. Dezember 2019 | 17:15 Uhr