Gefährlich oder nicht? Was sind eigentlich "Reichsbürger" und woran glauben sie?
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15. Mai 2025, 18:46 Uhr
Sie lehnen den deutschen Staat ab, haben eine eigene Währung, Ausweisdokumente und Gesetze: "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind nicht nur durch das "Königreich Deutschland" in aller Munde.
Die Begriffe "Reichsbürger" oder "Selbstverwalter" werden häufig als Sammelbezeichnung verwendet, um unterschiedliche Gruppen und Einzelpersonen zu beschreiben, die die Bundesrepublik Deutschland und ihre Rechtsordnung generell ablehnen - und damit auch deren gewählte Vertreter und Behörden, alle Gesetze und Gerichtsurteile.
Viele von ihnen geben deshalb auch ihren Personalausweis ab. Stattdessen beschaffen sie sich Fantasie-Dokumente, drucken eigene Autokennzeichen oder Währungen. Oft weigern sie sich, Steuern, Bußgelder oder Gebühren zu zahlen.
"Reichsbürger" vs. "Selbstverwalter"
"Selbstverwalter" verstehen sich als diesem Staat nicht zugehörig bzw. erklären ihren "Austritt" aus der BRD. Dabei definieren sie ihr Haus oder ihre Wohnung häufig als eigenes Staatsgebiet und markieren es sogar mit Grenzschildern. Mitunter verteidigen sie ihren selbst erschaffenen "Verwaltungsraum" auch gewalttätig.
"Reichsbürger" argumentieren und agieren ähnlich, berufen sich dabei aber zusätzlich auf ein "Deutsches Reich". Indem sie die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik leugnen, wenden sie sich unmittelbar gegen den Bestand des Bundes. Niederschwelliger Antisemitismus ist ebenfalls häufig Teil der Ideologie.
Quelle: Bundesinnenministerium
Daran glauben die "Reichsbürger"
Vereint sind die verschiedenen "Reichsbürger"-Gruppen und Mitglieder nicht nur in der fundamentalen Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland sondern behaupten auch, dass das Deutsche Reich fortbesteht.
Außerdem teilen sie zahlreiche Verschwörungsmythen. So sehen viele Mitglieder die Bundesrepublik beispielsweise als von fremden Mächten gesteuerten Staat an oder gar als Firma "BRD GmbH". Bei drei aktuell noch laufenden "Reichsbürger"-Strafprozessen geht es um weitere Mythen, an die die Angeklagten laut Staatsanwaltschaft geglaubt haben sollen:
- "Deep State": Dieser Verschwörungsmythos kommt von QAnon-Anhängern aus den USA. Demnach werde das Land von einer kriminellen Elite beherrscht. Der Bundesanwaltschaft zufolge waren die "Reichsbürger" fest davon überzeugt, dass auch Deutschland von Angehörigen eines sogenannten Deep States regiert werde.
- Eine Befreiung aus dieser Lage erhofften sich die Angeklagten offenbar von einer sogenannten "Allianz". Sie sei nach Überzeugung der Gruppierung ein technisch überlegener Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Militärs. Es soll in der Gruppe sogar einen "Verbindungsoffizier" für die "Allianz" gegeben haben.
- Am "Tag X" sollte die "Allianz" offenbar die obersten staatlichen Institutionen angreifen, die "Reichsbürger"-Gruppe habe dann die übrigen Institutionen und Amtsträger auf Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene beseitigen wollen, so die Anklage.
Welche Gruppierungen gibt es?
Der Verfassungsschutz kennt und beobachtet diverse aktive Gruppierungen. Sie haben Namen wie "Bismarcks Erben", "Republik Baden", "Verfassungsgebende Versammlung" oder "Amt Deutscher Heimatbund".
Das "Königreich Deutschland" gilt nach MDR-Angaben als mitgliederstärkste Vereinigung aus dem Spektrum der "Reichsbürger" und ist vermutlich das prominenteste Beispiel.
"Königreich Deutschland" verboten
Peter Fitzek, gelernter Koch aus Sachsen-Anhalt, rief sein "Königreich" im Jahr 2012 mit einer entsprechenden Verfassung aus. Bei einer Zeremonie mit Hermelin-Mantel, Schwert und Krone soll er sich selbst gekrönt haben.
Mitte Mai 2025 wurde der zugehörige Verein in Deutschland verboten. Peter Fitzek und weitere Verdächtige wurden festgenommen.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt erklärte, die Mitglieder hätten einen "Gegenstaat" geschaffen, "wirtschaftskriminelle Strukturen" aufgebaut und das "Gewaltmonopol der Bundesrepublik" untergraben.
Sind "Reichsbürger" gefährlich?
Lange wurden "Reichsbürger" und ihre Bewegung nicht ernst genommen. Da sie die Bundesrepublik nicht anerkennen, erkennen sie auch deren Vertreter nicht an. Polizisten, Behördenmitarbeiter oder Gerichtsvollzieher wurden in der Vergangenheit bedroht und angegriffen.
Ein Beispiel: Im Oktober 2016 tötete ein Szene-Angehöriger in Georgensgmünd in Bayern einen Polizeibeamten und verletzte drei weitere Mitarbeiter eines Spezialeinsatzkommandos, die Schusswaffen bei ihm sicherstellen wollten.
Waffen und Straftaten
Von den 25.000 Personen, die laut Verfassungsschutz im Jahr 2023 zur "Reichsbürger-" und "Selbstverwalter"-Bewegung gehörten, rechnet die Behörde 1.350 Personen der rechtsextremen Szene zu. 2.500 Personen gelten als gewaltorientiert.
Rund 400 Personen besitzen legal eine oder mehrere Waffen. 1.070 extremistische Straftaten wurden den "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" im Jahr 2023 zugeordnet.
Angst vor weiterer Radikalisierung
Bei Razzien wurden immer wieder Waffenlager gefunden, und es gab Pläne für bewaffnete Angriffe auf staatliche Institutionen bis hin zu Umsturzfantasien. Besonders besorgniserregend: "Reichsbürger" dringen vereinzelt in staatliche Strukturen ein.
Sicherheitsbehörden warnen vor einer wachsenden Radikalisierung und Vernetzung - auch mit Rechtsextremen und Verschwörungsideologen.
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 13. Mai 2025 | 17:15 Uhr