Kommentar: Vom Liebling der Queen zum Feind des Königs?Prinz Andrew: Der gefallene Märchenprinz wird 65 Jahre alt
Prinz Andrew: Über Jahrzehnte hinweg war er das ewige Goldkind der britischen Monarchie. Der Liebling der Queen, Frauenschwarm einer ganzen Nation, Armeeheld und Oberhaupt einer Bilderbuchfamilie.
Ihm schien all das zu gelingen, womit sein älterer Bruder zu kämpfen hatte: Er ging mühelos in die Charmeoffensive, wurde vom Volk hochgelebt und konnte scheinbar nichts falsch machen. Doch wenn Engel fallen, dann fallen sie tief.
Wie wurde aus Everbodys Darling Andrew, der Störenfried Nr. 1 der Royal Family? Eine Analyse zum 65. Geburtstag.
Ein Märchenprinz schießt sich ins Aus
Zum Halbrunden gibt es für Andrew nicht viel zu feiern - wenn man ehrlich ist. Sein Ruf? Ruiniert. Seine königlichen Pflichten? Weg. Er fristet ein privilegiertes Schattendasein: mit allen königlichen Annehmlichkeiten, aber stummgeschaltet und "nutzlos" für die Krone.
Geblieben sind nur noch die schillernden Erinnerungen an längst vergangene Glanzzeiten.
Dabei hatte alles so gut angefangen.
Es war einmal ... die Geschichte beginnt
Prinz Andrew Albert Christian Edward, Herzog von York, wurde am 19. Februar 1960 in London als zweiter Sohn und drittes Kind von Königin Elizabeth II. geboren. Sein großer Bruder Charles ist ganze zwölf Jahre älter. Andrew war also ein kleiner Nachzügler - und diese werden ja bekanntlich etwas milder behandelt.
Andrews Erziehung erfolgte dementsprechend mit Samthandschuhen - zumindest für royale Verhältnisse. Die ersten Jahre seines aristokratischen Lebens verbrachte er wohlbehütet und gehätschelt zu Hause. Umsorgt und unterrichtet von Nannys und Hauslehrern.
Während Charles immer als der Intellektuelle galt, inszenierte sich Andrew gern als Macher - der allerdings stets darauf pochte, mit vollem Prinzentitel angesprochen zu werden. Nach der Schule entschied er sich 1979 gegen ein Universitätsstudium und verpflichtete sich für zwölf Jahre als Berufsoffizier bei der Royal Navy. 1981 schloss er seine Pilotenausbildung als Lehrgangsbester ab.
Ein Prinz in Uniform, mit Schneid und Haltung: Das kommt an beim Volk. Vor allem die weiblichen Herzen flogen dem charmanten und hochdekorierten Andrew zu.
"The most eligible bachelor“ - "Der begehrenswerteste Junggeselle"
Der Armee - der vielleicht größten Liebe seines Lebens - blieb er bis 2001 treu. Das sind 22 Dienstjahre, in denen ihn die Briten zum Helden und "begehrenswertesten Junggesellen" (most eligible bachelor) glorifizierten.
Andrew hat nicht nur im Krieg gekämpft, sondern ist auch die Karriereleiter hochgeklettert. Wie es sich gehört: Dienstgrad um Dienstgrad. Sein Ruf? Bestens. Andrew galt als fleißig, ehrgeizig und gewissenhaft. Da drückte man schon mal ein Auge zu, wenn es um sein wildes Privatleben ging. Oder zwei.
Die Briten gaben ihrem Andrew den Spitznamen "Randy Andy". Denn die feschen Frauen an Andrews Arm wechselten im Akkord. Und eine eindeutige Vorliebe für Playgirls, Starlets und Models war nicht zu leugnen.
Die wenigen Stimmen, die Andrew als überheblich bezeichneten und ihm Vergehen wie Steuerverschwendung und dubiose Verbindungen zu Waffenschmugglern, Oligarchen und Diktatorensöhnen vorwarfen, wurden unter den Tisch gekehrt. Doch seine wilden Zeiten sollten Andrew später einholen.
Doch zunächst kehrte Ruhe in sein Leben ein:
Und dann kam Fergie
Denn "Randy Any" wurde sesshaft und heiratete am 23. Juli 1986 Sarah Ferguson - alias Fergie. Eine temperamentvolle Rothaarige aus gutem Hause, die mit ihrem Charme und Witz mindestens genauso gut ankam wie ihr Mann. Ein Match made in Royal-Heaven.
Doch die Ehe hielt nur zehn Jahre - trotz der entzückenden Töchter Beatrice und Eugenie. Bereits 1992 gaben Andrew und Fergie ihre Trennung bekannt. Wenige Monate später veröffentlichten britische Boulevardzeitungen Fotos, die Fergie mit ihrem Finanzberater John Bryan zeigten: Sie lag oben ohne auf einer Sonnenliege, er lutschte an ihren Zehen. Was für ein Skandal!
Ihren Töchtern zuliebe hielten die beiden trotzdem zusammen, wohnten unter einem Dach und fuhren gemeinsam in den Urlaub. In einem Interview mit "Tatler" sagte Andrew 2000 über die besondere Wohnsituation: "Wir machen das nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns. Ich schließe auch nicht aus, dass wir wieder heiraten."
Und Fergie? Die betonte immer wieder öffentlich ihre Zuneigung zu Andrew - zum Beispiel 2013 am Rande eines Buch-Festivals: "Er ist immer noch mein schöner Prinz, er wird immer mein schöner Prinz sein."
Die "Akte Andrew" beginnt
Ohne Fergie und die Navy schien Andrews Leben aus den Fugen zu geraten.
Nach seiner Militärkarriere wurde der Prinz 2001 britischer Handelsbeauftragter. In dieser Funktion reiste er um die Welt, ließ sich auf den Partys der Reichen und Schönen blicken - und lernte den später verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein kennen.
Der amerikanische Geschäftsmann ist die zentrale Figur in einem Missbrauchsskandal, dem Dutzende zum Teil minderjährige Frauen zum Opfer gefallen sein sollen. Als der bereits verurteilte und erneut angeklagte Jeffrey Epstein 2019 in einem New Yorker Gefängnis Selbstmord begeht, gerät Andrew in den Fokus.
Der will seinen Hals retten - mit Hilfe der BBC. Doch das als Befreiungsschlag gedachte Interview wird zum Desaster. Andrew redet sich um Kopf und Kragen - und kaum jemand glaubt noch an seine Unschuld.
Ein Skandal jagt den nächsten. Zuletzt sorgte ein Vertrauter Andrews für Schlagzeilen, weil er im Verdacht steht, für die Kommunistische Partei Chinas zu arbeiten.
Die Queen hatte ihrem Andrew fast bis zum Schluss den Rücken gestärkt - doch auch für sie war irgendwann das Maß voll. Nach dem verhängnisvollen BBC-Interview endet Andrews offizielle Rolle als Repräsentant des Königshauses. Die Queen entzog ihm seine militärischen Ehren - angeblich waren Charles und William die treibenden Kräfte hinter dieser Entscheidung, weil sie um das Ansehen der Monarchie fürchteten. Allerdings: Als "Counsellor of State" könnte Andrew den Monarchen im Notfall vertreten - ebenso wie Camilla, William, Harry, Anne, Edward und Beatrice. Allerdings wird diese Karte bei Harry und Andrew wohl nicht mehr gezogen.
Dennoch: Heute hält niemand mehr seine schützende Hand über Andrew - am wenigsten sein Bruder, König Charles.
The Heir and the Spare - Der Erbe und sein Ersatz
Ein roter Faden im Leben des Prinz Andrew: die Rivalitäten zwischen ihm und Charles.
Sicherlich ist es kein leichtes Los, der Bruder eines Thronfolgers zu sein. Doch die Spannungen zwischen den beiden königlichen Alphatieren begannen schon im Kindesalter. Während Charles mit Härte und aristokratischer Kühle erzogen wurde, genoss Andrew die volle Zuneigung seiner Mutter.
In der Familie war Andrew die geliebte Nummer eins, in der Thronfolge jedoch nur die Nummer zwei - und auch das nur für kurze Zeit. Seiner Meinung nach hätte es genau umgekehrt sein müssen, wie Andrew mehrfach zum Ausdruck brachte. Er hielt sich für den geeigneteren König - schon allein deshalb, weil er beim Volk viel beliebter war als sein unnahbarer Bruder.
Der ewige Kampf zwischen Erbe und Ersatz. Die Geschichte wiederholt sich immer und immer wieder. Eduard VIII. und Georg VI. Elizabeth und Margaret. Charles und Andrew. William und Harry. Letzterer legte den Finger in die Wunde und nannte seine Autobiografie - wie sollte es anders sein - "Spare": Reserve.
Wie tief der Graben zwischen den Brüdern tatsächlich war, zeigt eine Anekdote von Andrews Hochzeit: Angeblich wollte er nicht Charles, sondern seinen jüngeren Bruder Edward zum Trauzeugen haben, um dem Thronfolger nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ein Bruch mit der Tradition.
Diese kleine, feine und durchaus vielsagende Geschichte hat es - obwohl nicht belegt - in die Netflix-Erfolgsserie "The Crown" geschafft.
Keine Gnade für Schwarze Schafe
Andrew: Wie wird er wohl seinen Geburtstag feiern? Seiner königlichen Pflichten enthoben, seiner militärischen Ränge beraubt und aus dem königlichen Paradies verbannt.
Ist diese Geschichte schon zu Ende? Wohl kaum. Vielleicht gibt es - wie im Märchen - irgendwann doch noch ein kleines Happy End für Andrew. Als Privatmann. Immerhin ist er inzwischen vierfacher Großvater. Und Fergie bleibt, wie sie selbst sagt, ihrem "schönen Prinzen" treu. Fortsetzung folgt ...
Quellen und weiterführende Links
BRISAN
dpa
BBC
Munzinger Archiv
www.royal.uk
Tatler
Vanity Fair
Mehr royale Lebensgeschichten
Dieses Thema im Programm:Das Erste | BRISANT | 14. Februar 2025 | 17:15 Uhr