Person mit GPS Tracker am Handgelenk.
GPS-Tracker, um das eigene Kind zu überwachen? Datenschützer sehen das skeptisch. Bildrechte: IMAGO / Addictive Stock

Datenschutz GPS-Tracker und Geofencing: Wann ist Überwachung erlaubt?

28. Oktober 2024, 17:19 Uhr

Ist es erlaubt, Mitarbeiter per GPS zu überwachen? Bewegungsprofile von Kindern zu erstellen? Oder Demenzkranke mit Trackern auszustatten? Alles zu Datenschutz und Technik hat BRISANT hier.

Eltern wollen wissen, wo ihre Kinder sind und schenken ihnen eine spezielle Tracking-Uhr. Angehörige müssen sicher sein, dass die demente Oma nicht einfach auf Wanderschaft geht und binden ihr ein Tracking-Armband um.

Was aber ist ein Tracker? Ein elektronisches Gerät, das mittels Software den jeweiligen Standort des Trägers ermittelt und an ein Endgerät (z.B. Smartphone) übermittelt.

Damit ein Gerät geortet werden kann, muss es regelmäßig Signale empfangen - über WLAN, Funkerkennung oder GPS (Globales Positionsbestimmungssystem). Viele sportlich aktive Menschen tragen zum Beispiel Fitness-Tracker am Handgelenk, um die gemessenen Daten (wie weit bin ich gelaufen? Schlägt mein Herz regelmäßig?) bewusst für sich auszuwerten. Das ist rechtlich unproblematisch. Aber was ist, wenn die Überwachung heimlich geschieht?

Big Mother is watching you

Einige Eltern überwachen ihre Kinder mittels GPS-Tracker, weil sie wissen möchten, wo diese sich gerade aufhalten. Den eigenen Nachwuchs auf Schritt und Tritt zu überwachen, sehen Datenschützer skeptisch. Das Bewegungsprofil des Kindes wird auf irgendwelchen Servern gespeichert, bei Google, Microsoft oder Amazon. Was mit den Daten (Name, Adresse, Alter….) passiert, ist unklar.

Seit 2017 sind Kinderuhren mit Abhörfunktion verboten. Sie gelten ebenso wie versteckte Kameras als "unerlaubte Sendeanlage". Wer diese "Spionagegeräte" verkauft oder besitzt und nach Aufforderung der Bundesnetzagentur nicht zerstört muss mit einem Zwangsgeld von bis zu 1 Million Euro rechnen - kein Scherz! Dienen sie aber nur der Ortung, sind GPS-Tracker nicht generell verboten.

Außerdem besteht ein gewaltiges Dilemma, das sich moralisch nicht auflösen lässt: Was wiegt schwerer - die elterliche Fürsorgepflicht oder das Recht des Kindes auf Privatsphäre? Und noch eines sollte sich jeder bewusstmachen: Unverschlüsselter Datentransfer oder Sicherheitslücken sind immer auch eine Einladung an Hacker, die die Daten ausspähenund für unlautere Zwecke nutzen.

Unsichtbarer Zaun: Geofencing

Geofencing ist eine Art "geografischer Zaun", der es ermöglicht, ein bestimmtes Gebiet unsichtbar einzugrenzen und Objekte darin zu überwachen. Das System reagiert, wenn Objekte dieses Gebiet betreten oder verlassen. Wie bei einer Katze, die über Nachbars Zaun klettert und dadurch einen Bewegungsmelder auslöst.

Das Verfahren des räumlich begrenzten Trackings wird oft im Einzelhandel verwendet, um Ladendiebstahl zu verhindern. Nicht bezahlte Ware piept dann am Ausgang. E-Scooter müssen oft in einem bestimmten Gebiet abgestellt werden, sonst blockiert das Schloss. Auch das Smart-Home, in dem intelligente Geräte über das Smartphone gesteuert werden, oder der virtuelle Autoschlüssel "Keyless Go" gehören zum Bereich Geofencing.

Überwachung von Mitarbeitern: Erlaubt oder nicht?

Die Technologie wird aber auch benutzt, um Arbeitsorte oder -zeiten von Mitarbeitern zu erfassen. Das System erkennt, ob ein Arbeiter an seinem Platz ist oder nicht. Eingesetzt wird das System zum Beispiel bei Geldtransportern. Weichen sie vom Zeitplan oder der vorgegebenen Route ab, gibt's Alarm.

Für diese Art der Überwachung muss der Mitarbeiter aber zwingend zustimmen. Ein dauerhaftes Tracking ist laut Bundesdatenschutzgesetz nicht erlaubt. Es muss sich auf den konkreten Arbeitsbereich (z.B. Baustelle, Firmengelände) beschränken.

Ein ganz großes Problem ist nämlich der Schutz der sensiblen Daten. Durch eine permanente Ortung könnte es leicht zu einer Totalüberwachung kommen, indem etwa ganze Bewegungsprofile von Mitarbeitern erstellt werden. Das sei ein Einschnitt in die persönliche Freiheit, bemängeln Datenschützer.

Einstellungsmenue auf dem Display einer Digitalkamera
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser. Bildrechte: picture alliance / dpa-tmn | Andrea Warnecke

Pilotprojekt: GPS-Ortung bei Patienten mit Demenz

Die Knappschaftsklinik Sulzbach wagt sich an einen Pilotversuch: Patienten werden mit GPS-Trackern ausgestattet, um sie zu schützen. Denn im Juni verschwand eine 82-jährige verwirrte Frau nach einer Knie-OP aus der Klinik und ist bis heute nicht mehr aufgetaucht.

Nach diesem tragischen Vorfall kam die Idee mit dem Ortungsgerät. Mit dem Einverständnis ausgewählter Patienten wird der Tracker als Arm- oder Fußband getragen. Sobald der Patient das Zimmer verlässt, beginnt die GPS-Ortung. So weiß die Klinik immer, wo sich der Patient gerade aufhält. Denn gerade demenzkranke Menschen haben einen gesteigerten Bewegungsdrang und neigen dazu, einfach loszulaufen, finden aber nicht wieder von selbst zurück.

Wo aber endet die "Fußfessel für Senioren" und wo beginnt die Chance auf mehr Sicherheit und Freiheit? Gerade in Zeiten von Personalmangel in der Pflege ein brisantes Thema.

Die Tracker könnten dementen Patienten aber aus Expertensicht mehr Freiheit und Sicherheit gewähren - sofern sie nur im Notfall aktiviert werden, etwa wenn Oma einen bestimmten Bereich (z.B. 200 Meter vom Haus entfernt) überschreitet.

Tochter und Mutter schauen besorgt
Viele Demenzkranke finden ohne Hilfe nicht mehr zurück. Bildrechte: IMAGO/YAY Images

Einsatz in der Pflege: Erlaubt oder nicht?

Zur Personenortung in Pflegeeinrichtungen gibt es viele Gerichtsurteile, doch einig sind sich die Juristen nicht, denn das Thema ist ethisch-moralisch heikel. Sogenannte Funkortungschips werden daher manchmal als "freiheitsentziehende Maßnahme" gewertet. Sie müssen dann durch ein Betreuungsgericht genehmigt werden. So entschied beispielsweise das Landgericht Ulm 2008.

Anders sahen es zum Beispiel die Amtsgerichte Meißen und Coesfeld 2007. Maßgeblich sei immer die nachfolgende Reaktion des Pflegepersonals, das den Betroffenen zur Umkehr bewegen soll. Und inwieweit da von "Gewalt" und "Freiheitsentzug" gesprochen werden könne.

Allein die unterschiedliche Rechtsprechung zeigt, wie emotional aufgeladen das Thema ist, wie viele unterschiedliche Bedürfnisse und schützenswerte Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen und dass es nicht DIE eine Lösung gibt.

(Dieser Artikel wurde erstmals am 24.10.2022 veröffentlicht)

Quellen

BRISANT

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 24. Oktober 2022 | 17:15 Uhr

Weitere Themen